"Vorgeburts"bericht

oder "Wieso man seine Krankenhaustasche unbedingt sehr frühzeitig packen sollte"

Tatsächlich habe ich sehr lange überlegt, ob ein Geburtsbericht von Bewandnis ist, ob es etwas „bringt“ einen zu schreiben. 

Ich habe für mich festgestellt, dass es mir ein bisschen zum verarbeiten geholfen hat. Nicht die Geburt an sich, denn die (um es vorweg zu nehmen) war absolut kein Drama und traumatisch, eher die „Zeit danach“. 
Viele haben sich und mich gefragt, wieso Niklas zu früh kam. Wer die Antwort hier erwartet, wird sie nicht finden, denn weder die Ärzte noch ich haben eine. 
Außerdem soll es hier tatsächlich garnicht um die Geburt als solche gehen, sondern vielmehr um die Zeit davor und auch danach.

10.01.2018, 32+1 📝

Wir waren gerade eine Woche aus unserem alljährlichen Skiurlaub zurück. Es war schön, wir hatten eine tolle Zeit und lange Spaziergänge lies ich aus, alleine der Luft wegen, die ich für lange Wege schon nicht mehr hatte. Die Wäsche war trocken und bereit zum Bügeln, aber wie immer lies ich sie einfach noch im Korb und den Rest auf der Wäscheleine. Ich hatte heute einfach keine Lust.

 

An diesem Tag kamen die Kinderzimmermöbel. Mein Mann machte sich sofort an den Aufbau, was relativ flott ging, weil die Möbel sich selbst alleine super aufbauen ließen. Schon am Abend war alles aufgebaut und ich hab mich gefreut, nun endlich den ganzen Rest kaufen zu können, wie Wickelauflage, Babymatratze usw. Auch für die Gestaltung der Ecke vom Babybett hatte ich jetzt einen Plan und ich hab mich sehr darauf gefreut, es schon gleich am nächsten Tag anzupacken.

 

11.01.2018, 32+2 📝

Ich hatte die Nacht auf der Couch im Kinderzimmer verbracht, einfach so, fürs Gefühl, weil nun die Möbel drin standen. Und vllt auch, weil ich meinem Mann nach wirklich harten Tagen und dann dem Kinderzimmeraufbau eine ruhige Nacht vor meinem Schnarchen gönnen wollte. Aber das ist nur ein Gerücht 😂

Es war 4 Uhr und ich wurde mit starken Schmerzen wach. Ich versuchte wieder einzuschlafen und dachte mir, dass es dann wohl jetzt diese Senkwehen oder Übungswehen sind, von denen alle sprachen. Ich wollte dann kurz zur Toilette, weil es sich mit leerer Blase ja meist wieder besser schlafen lässt. Schon beim Aufstehen dachte ich, dass sich meine untere Körperregion irgendwie seltsam feucht anfühlt. Auf der Toilette war mir dann klar, wieso. Plötzlich war alles voller Blut. Nicht so schlimm, wie es sich liest, aber doch genug, um mich zu beunruihgen. Der kleine Bauchbewohner bewegte sich aber so, wie alle Tage davor auch, also war für mich erstmal alles okay. Mit dem Bewusstsein, dass ich an gleichem Tag sowieso einen Frauenarzttermin hatte, ging ich auf die Couch ins Wohnzimmer. Diese "Schmerzen" kamen nun sehr heftig, alle 5 Minuten. Sofort wurde mir klar "Sche*ße, das sind richtige Wehen". Trotzdem wollte ich meinen Mann unter keinen Umständen schon wach machen. Um Punkt 7 Uhr rief ich beim Frauenarzt an, ob ich denn früher kommen könnte oder direkt ins Krankenhaus solle. Als die nette Dame am Telefon mir dann sagte, ich solle umgehend dorthin fahren, was für mich näher ist, wurde mir dann doch bewusst, dass es eventuell doch ernster sein könnte. Durch die regelmäßigen Schmerzen war mir dann auch klar, dass ich keinesfalls alleine hätte fahren können, also musste ich meinen Mann doch aus dem Bett werfen. Wer ihn kennt weiß, dass das normalerweise keine soooooooooooo gute Idee ist, dann sofort Dinge wie "anziehen, losfahren" zu erwarten, wenn er gerade die Augen erst aufgemacht hat. Aber er hat es dann doch geschafft, wenn auch nicht mit bester Laune. Der Ernst der Lage war ihm auch sicher genauso wenig bewusst wie mir. Beim Frauenarzt wurde ich dann ans CTG angeschlossen und was sah man? Nichts! Einfach überhaupt nichts. Und das, obwohl ich wirklich wirklich starke Schmerzen hatte. In dem Moment merkte ich dann, dass auch mein Mann etwas knatschig wurde, weil er wohl dachte ich würde übertreiben und auch ich war enttäuscht von mir, dass ich mir die Schmerzen wohl einbildete. Aber da waren ja auch immernoch die Blutungen......

Wir sind dann rein zur Ärztin und es gab einen Dialog, für den ich ihr heute noch dankbar bin.

"Frau E. wie fühlen sie sich? Beschreiben sie ihre Schmerzen"

- Ich habe alle 5min das Gefühl mein ganzer Unterleib zieht sich zusammen, während mir jemand ein Schwert in den Rücken rammt. Ich hätte gesagt, Wehen, aber da das CTG nichts anzeigt, bilde ich mir das sicher nur ein.

"Frau E., ich vertraue darauf, was SIE mir sagen und schaue mir den CTG-Ausdruck garnicht erst an."

Was eigentlich als selbstverständlich vorausgesetzt wird, war ich ihr in diesem Moment sehr dankbar, dass sie mich Ernst nahm und umgehend untersucht hat.🙏🏼

Sie hatte mit der Untersuchung noch nicht einmal richtig begonnen, da kam der Satz der (im Nachinein betrachtet) alles verändern sollte.

„Da ist der Kopf, das sind Geburtswehen, Gebärmutterhals 0,5cm, ins Krankenhaus und das sofort und ohne Umweg!“

Ab diesem Moment hatte ich Angst. Nur noch Angst Angst Angst. Angst um unser Kind, dem es gut ging, wie sie mir nochmal versicherte. Ich durfte nicht einmal mehr bis zum Parkplatz gehen.

Da es im Saarland nur noch zwei Kliniken mit Neonatologie gbt, eine streckenmäßig aber nicht in Frage kam, mussten wir zwangsläufig zur Anderen. Wieso, weshalb, warum, weiß ich nicht, aber gegen dieses Krankenhaus hatte ich eine absolute Abneigung. Aber diesmal ging es um unser Kind, also keine Experimente und ab dort hin.

Im Krankenhaus qar die Lage mit einem Gebärmutterhals von 1cm nicht mehr so ganz dramatisch, aber durch die Blutungen und die Eröffnungswehen dann aber doch Grund genug für ein "Wehenhemmer, absolute Bettruhe, stationär, Lungenreife über 3 Tage!"

Ab dem Moment als die Nadel lag, waren meine Wehen verschwunden und mir ging es wieder top. Da ich aber unbedingt wieder aus diesem Krankenhaus raus wollte, hielt ich mich an alles, was mir gesagt wurde und lies mich brav überall mit Rollstuhl hinschieben.

 

Dann passierte das bis heute wirklich Lustigste am ganzen Krankenhausaufenthalt 🙈

Meine Krankenhaustasche war natürlich noch nicht gepackt. 7 Wochen vor Geburt steht sowas ja auch auf keiner Checkliste. Da ich auch nicht nochmal heim durfte, meine Sachen packen, musste mein Mann das für mich erledigen. Natürlich war auch er in der ganzen Situation total nervös und so trug ich ihm auf, einfach von den Kleidern Sachen einzupacken, die noch vom Urlaub auf der Leine hingen, weil ich mir da sicher sein konnte, dass sie mir passen.

Diese Aufgabe hätte ich eventuell noch detailierter ausführen müssen, denn in meiner Tasche fanden sich neben drei Jogginghosen und lediglich zwei Shirts  noch eine Feinstrumpfhose, zwei Strickpullover, drei Paar Skisocken und ein Halskragen wie man ihn vom Skifahren kennt.

Aus diesem Grund kann ich nur jedem raten, SEHR frühzeitig seine Krankenhaustasche zu packen, auch wenn sie im besten Fall viele Wochen unberührt stehen bleibt.

 

12-13.01.2018, 32+3 und 32+4 📝

In diesen zwei Tagen lag ich einfach so rum. Morgens, mittags, abends CTG, Lungenreife an beiden Tagen und den Rest ausruhen.

Dem Bauchbewohner ging es gut, mir ging es gut, alles war super. Außer, dass ich wirklich auf glühenden Kohlen saß und einfach nur noch nach Hause wollte.

Es war kurz vor Fasching und da ich sehr aktiv in unseren Karnevalverein bin, auch im Vorstand, war mein Amt gerade zu dieser Zeit stark gefordert. Ich hatte noch viel Papierkram zu erledigen, Artikel zur Veröffentlichung zu schreiben und überhaupt viele Dinge, die eben einfach zu meinem Amt gehören, also meine Arbeit sind. Ja, ich lag im Krankenhaus und das Einzige was zählen sollte, sollte der kleine Wurm und ich sein und die Tatsache, dass wir uns ganz dringend ausruhen müssen, wenn wir noch ein bisschen miteinander aushalten wollten. Aber andere Menschen damit zu belasten war wirklich schwer, wenn es auch unumgänglich war.

 Ich fühlte mich faul, während andere meine Arbeit erledigen mussten. Trotzdem tat ich alles, was von mir verlangt wurde. Liegen bleiben und nur zur Toilette aufstehen. Belohnt wurde ich an beiden Tagen jeweils mit einer Stufe nach unten am Wehenhemmer. Der Montag sollte unser Entlassungstag werden und ich freute mich sehr auf zuhause.

 

14.01.2018, 32+5 📝

Endlich Sonntag, das bedeutete nur noch eine Nacht und ich kann endlich nach Hause. Alle unsere Werte waren super, der Wehenhemmer wurde ausgeschaltet und somit war klar, am nächsten Tag dürfte ich nach Hause. Juhuuuuu🎉

Am Mittag bekam ich dann noch Besuch meiner besten Freunde, die mir SUSHI (natürlich ohne rohen Fisch) mitbrachten! Was gibt es Besseres?

Wieso alle 4 genau an diesem Tag Zeit hatten, hat man mir erst Wochen später mitgeteilt, denn eigentlich hätte an diesem Tag meine Babyparty stattfinden sollen. Ups.🙊

 

17:10 Uhr

Es entstand dieses Bild. Mein letztes Bild mit Baby im Bauch.😢

Und ich setzte mich vor meinen kleinen Fernseher am Bett, schaute irgendeine Sendung, von der ich nicht mehr weiß, welche es war und genoss mein Sushi in vollen Zügen.

Ich bekam leichte Schmerzen im Unterleib, dachte mir aber noch nicht sehr viel dabei. Schließlich hatte ich gerade ne Packung Sushi gegessen und auch immer noch ein Kind im Bauch, dass sich bewegt. Da zwickt schon mal was.

Um 17:46 schickte mir mein Mann ein Bild mit der alten Familienwiege, die er fertig aufgebaut hatte, mit den Worten "Er kann kommen".

Da die Uhren im Krankenhaus ja bekanntlich anders ticken, ist 18 Uhr schon ziemlich nah an Schlafenszeit. Ich dachte mir "noch schnell zur Toilette und dann ab ins Bett", schließlich sollte jeden Moment die Hebamme kommen, um das gefühlt 484632890 CTG in diesen Tagen zu schreiben.

Auf Toilette dann Blut. Alles voll. Mehr, als vor 3 Tagen zuhause. In dem Moment als ich das Blut sah, setzten auch wieder die Wehen ein.

Ich schleppte mich zurück ins Zimmer, wo die Hebamme gerade meine Bettnachbarin ans CTG anschließen wollte. Sie zog mich dann doch vor und rief beim Arzt an. Das CTG war mal wieder ruhig und nichts von Wehen zu sehen. Doch vom Arztbesuch wusste ich ja schon, dass das nichts zu heißen hat.

Um kurz nach 19 Uhr lag ich dann im Untersuchungszimmer der Kreissäle. Ich war so unglaublich aufgeregt, dass ich die Hebamme sinnlos vollaberte und mich dann auch noch für meine ungepflegte Erscheinung entschuldigte und dafür, dass ich leider schon seit 4 Tagen nicht mehr ordentlich duschen konnte. Die Hebamme und der gerufene Arzt taten mir so leid.

An dieser Stelle sei gesagt: "Es ist sowohl den Ärzten als auch den Hebammen völlig egal, wie ihr untenrum ausseht" 😉

Der Arzt untersuchte garnicht viel, schaute sich lediglich an, dass ich bei 32+5 angekommen bin und sagte mir, dass man ab 33+0 sowieso nicht mehr eingreift. Da der Muttermund bereits leicht geöffnet war, beschloss er, den Wehenhemmer nicht wieder hochzustellen und sagte "Rufen sie jetzt ihren Mann an, er soll ganz langsam hier her kommen und wenn der kleine Mann nun will, soll er kommen."

Em.... okay. Darauf war ich nicht vorbereitet. Gut. Okay. Dann werd ich wohl gleich Mutter.

Schön. Wo ist das Feuerwerk? Die Kapelle, die dem Kleinen den Ausmarsch spielt? Was soll ich jetzt tun?🤷🏼‍♀️

Ich wurde in einen Kreißsaal gebracht und lag dann erstmal rum, mit Wehen alle paar Minuten. Erstmal nix "neues".

Mir wurde dann gesagt, dass eine Hebamme gerufen wird, die dann ausschließlich für uns da sein wird, weil die anderen Kreißsäle ebenfalls alle belegt seien. Und die Hebamme, die dann kam, war der absolute Engel auf Erden. Besser hätte es das Schicksal mit uns wirklich nicht meinen können. Ich entschuldigte mich erstmal brav, weil sie extra von Zuhause gerufen wurde. Schon wieder jemand, der nur wegen mir nicht gemütlich auf der Couch liegen konnte.

Da wir nun ein Frühchen bekommen würden, wurde mir die Entscheidung über eine PDA abgenommen, da es dort wohl üblich ist, eine PDA in Anspruch zu nehmen.

Und DAS war das mit Abstand SCHLIMMSTE an der ganzen Geburt! Bis diese PDA saß hab ich wirklich sehr viel geheult. Die Anästhesístin war nicht wirklich die Freundlichkeit in Person und schrie mich mehrfach an, ich solle doch endlich ruhig und gerade sitzen bleiben. Als Mensch mit einer ziemlich krummen Wirbelsäule plus Wehen quasi unmöglich und je mehr sie mich anschrie, desto mehr musste ich weinen, umso mehr musste mein Mann meinen Kopf nach unten drücken, dass ich einen krummen Rücken mache und umso mehr Schmerzen hatte ich. Es war wirklich ein mittelschweres Drama und dauerte gefühlt Stunden.

Als das endlich erledigt war, hätte ich liegen bleiben können. Ich war die entspannteste Person im Raum hatte keine Wehen mehr und überhaupt war alles bestens.

Es war 21 Uhr und ich lag gemütlich rum. Na das konnte ja ne lange Nacht werden dachte ich mir........ Die Hebamme meinte irgendwann zu mir "Wenn es nicht mehr nach unten, sondern nach hinten drückt, sag Bescheid" Ja., Okay. Was sie damit meinte? Ich hatte zu dem Zeitpunkt absolut keine Ahnung!

Um 23 Uhr sagte ich meinem Mann dann, dass ich eigentlich echt keine ungerade Zahl im Geburtsdatum unseres Sohnes vorne haben wolle und die 14 ja eigentlich ganz schön ist. Wir machten noch unsere Scherze und ich glaube, so richtig ernst nahm er es nicht, dass ich mich vor einer möglichen 15 sträubte. Ich habe bis heute keine Ahnung, wieso 🤔🤔😂

Der Hebamme erzählte ich das Ganze dann auch noch und sie meinte um 23:30 Uhr, dass wir dann jetzt mal Gas geben müssen, wenn wir die 14 vorne haben wollen.

Und in dem Moment wusste ich plötzlich, was die Hebamme meinte, als sie sagte "Wenn es nach hinten drückt" und ich sagte ihr, dass ich nun wirklich ganz dringend und schnell auf Toilette müsste. Die Hebamme meinte dann so "Nö, das ist das Kind"....OOOOOOKAY! F*CK!

Da der Kleine noch zu klein und schwach war, schaffte er es nicht, die Fruchtblase selbst zu öffnen. Diese ehrenvolle Aufgabe übernahm dann die Hebamme um 23:45 und das war auch das letzte Mal, dass ich auf die Uhr schaute, denn ab dem Moment gings los und genauso schnell war es vorbei. Mein Mann sagte später, wenn er in dem Moment auf Toilett gemusst hätte, hätte er alles verpasst bis er wieder da gewesen wäre. Es war kurz, aber schmerzhaft.... aber schnell. Mehr, kann ich absolut nicht dazu sagen, denn mehr weiß ich nicht mehr.

Das nächste Mal, als ich auf die Uhr schaute, war kurz nach 00 Uhr und Niklas schrie. 

Meine erste Frage war, ob wir den 14 noch geschafft haben und die Zweite, ob es wirklich ein Junge ist. Beides natürlich total wichtige Dinge. Aber hey, 23:58 Uhr! Punktladung. Danke mein Kind 😘

Ich durfte ihn kurz anschauen und dann wurde er weggebracht.

Meinen Mann schickte ich sofort hinterher und sagte ihm, dass er Niklas auf keinen Fall aus den Augen lassen soll. Und dann zitterte ich. Mein ganzer Körper bebte und zuckte und ich fühlte mich, als hätte mich ein LKW mehrfach kreuz und quer überfahren. Und nun war ich Mama. Ganz ohne Feuerwerk, Kapelle und Applaus. Einfach so, von jetzt auf gleich. Verrückt.

Dann kam Niklas wieder. Mein Sohn. 💙

Und endlich durfte ich ihn halten. Ich dachte, in einem solchen Moment würde ich Rotz und Wasser heulen und wäre unendlich glücklich. Aber ich war tatsächlich einfach nur müde und fertig und kaputt. Ich durfte Niklas nur kurz halten, aber es war trotz aller Müdigkeit der Moment, der mich über die nächsten Wochen tragen sollte, von denen ich zu diesem Moment noch nicht wusste, wie anstrengend sie werden würden................

 

FORTSETZUNG FOLGT................